
Die Einwohner von Leezen und seiner sächsischen und slawischen Nachbardörfer lebten im Grenzgebiet des Limes Saxoniae an der Trave dicht beieinander. Das setzt ein gewisses Mass an Einvernehmen voraus.
Leezen gilt als eines der ältesten germanischen Dörfer im nordöstlichen Albingien. Sieben Dorfchroniken beschreiben seit über zwei Jahrhunderten unsere Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln. Leezen war seit der Gründung als Latzinghe ein Ort an der Grenze zwischen germanischer und slawischer Kultur. Östlich der Trave lag das slawische Wagrien, was nicht zum Deutschen Reich gehörte. Dort siedelte seit dem frühen Mittelalter ein Stamm der Abodriten, dessen Name im 10. Jahrhundert von Widukind von Corvey erstmals als Waari, aber auch Waigri erwähnt wird. Bemerkenswerterweise ist das kein slawischer, sondern ein altnordischer Name, der mit „Buchtanwohner“ übersetzt werden kann. Das beschreibt deren Siedlungsraum an der Ostseeküste. Leezens Nachbardörfer im westlichen Grenzgebiet des Limes Saxoniae an der Trave waren sowohl germanische und auch als slawische Gründungen.
Wann entstanden die Siedlungen?
Wie war das Zusammenleben?
Peter Rohde
August 2020
Vorwort
Leezen ist in der glücklichen Situation, dass Chroniken über zwei Jahrhunderte unser Dorf beschreiben. Wenig überraschend nehmen Berichte über die Entwicklung der bäuerlichen Gesellschaft breiten Raum ein. Da die Kirche Träger des gesellschaftlichen und schulischen Lebens war finden wir hierzu sehr viele Informationen. Wenig wissen wir über das Zusammenleben mit den slawischen Mitmenschen diesseits und jenseits der Trave. Schriftliche Überlieferungen zur Dorfgeschichte des Mittelalters gibt es wenige außer ein paar Dokumenten aus dem 12. Jahrhundert. Durch die Zerstörung des Dorfes im 30-jährigen Krieg sind viele Informationen verloren gegangen. Erst ab dem 16. Jahrhundert berichten Kirchenbücher chronologisch über Ereignisse. Ab dem 17. Jahrhundert geben die Grundbücher Auskunft über die Ländereien und deren Eigentümer. Über die zeitliche Gründung von Leezen gibt es keine Nachweise. Deshalb haben die Chronisten dieses Thema relativ knapp behandelt. Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen. Das Internet und online zugängliche Bibliotheken schaffen neue Erkenntnisse und laden ein dieses Thema wieder aufzugreifen. Durch den Vergleich vieler historischer Quellen wird es möglich die Geschichte unseres Dorfes im holsteinischen und wendischen Umfeld besser zu verstehen. Ausgehend von den bekannten Dokumenten von 1192 und 1199 will ich unsere Geschichte so weit wie möglich zeitgerecht zurückverfolgen. Ein großer Teil der historischen Abläufe war unseren Chronisten bekannt. Die Bewertung neuer Erkenntnisse durch Vergleich und Kombination verschiedener kompetenter Quellen und ihre zeitliche Einordnung bringen neues Licht in die Geschichte unseres Dorfes. Die Geschichte Nordelbiens ist seit dem Frankenreich Karls des Großen durch verschiedene Quellen dokumentiert. Im 19. und 20. Jahrhundert haben sich namhafte Historiker mit der Entwicklung Norddeutschlands beschäftigt. Im Fortgang der Besiedelung spielte seit der Völkerwanderung der „Ochsenweg“ als Fernhandelsroute und später als Gaugrenze eine wichtige Rolle.
„Dieser Weg war keine Straße im heutigen Sinne, die mit einer Trasse von A nach B führte, sondern bestand aus einem Bündel von Wegen von Viborg bis zur Elbe bei Hamburg. Das System lag auf der Geest. Die Wege waren fast ausnahmslos unbefestigt und daher im Sommer staubig und sandig, in der kalten Jahreszeit morastig, grundlos und häufig unpassierbar. Von Hamburg und der Elbe aus führten durch Holstein eine Route über Itzehoe und eine über Neumünster nach Rendsburg.“
Quelle: www.geschichte-sh.de
Die Herkunft der Holsteiner liegt im Dunkeln. Der ursprüngliche Name ist „Holtsassen“, wörtlich „Holzbewohner“, was angesichts der riesigen Urwälder plausibel ist. Der Stammessitz der Holsten befand sich im Raum des heutigen Neumünster an der Stör und am Ochsenweg. So bestand neben der Landverbindung auch ein Wasserweg. Ein zentraler Handelsknotenpunkt war schon im Frühmittelalter Itzehoe (alt-sächsisch: ochoho) nahe der Burg Esesfeld an der Stör. Dort trafen sich mehrere Handelswege mit dem Nord-Süd „Heerweg“ (Ochsenweg). Nach Süden führte die Stör zur Elbe, nach Osten führte ein Weg über Kaaks und Hitzhusen etwa entlang der heutigen B 206 bis Hageristorpp (Högersdorf), einem „Grenzübergang“ nach Wagrien. Jenseits der Trave lag die Ohlsburg, eine kleine Grabenburg aus dem 10. Jahrhundert.

So bestand schon im Frühmittelalter über Land und die Wasserwege Stör und Trave eine durchgehende Verkehrsverbindung von der Elbe/Nordsee zur Ostsee. Durch Funde ist belegt, dass es zwischen den Nordelbiern und Slawen Handelsbeziehungen gab. Zu Beginn der Besiedelung im Frühmittelalter war das Zusammenleben der Sachsen, Holsaten und Stormarner mit den Wenden verträglich. Wir wissen außer dem großen Geschichtsbild sehr wenig über das Zusammenleben der „Leezener“ mit den Slawen. Die Dörfer in unserer nachbarschaftlichen Umgebung zwischen Bornhöved und Oldesloe sind sowohl Germanische als auch slawische Gründungen. Sie sind zu unterschiedlichen Zeiten entstanden. Es gibt aber nur wenige frühe mittelalterliche Gründungen direkt an der Trave. Dazu könnte auch Leezen gehören. Um mehr über die Geschichte unseres Dorfes im Mittelalter des 10. bis 12. Jahrhunderts zu erfahren bieten sich Bücher namhafter Historiker und Internetquellen an. Im Anhang befindet sich eine reiche Auswahl an Quellen. Mein Resümee ist allerdings sehr gemischt. Die absolute Wahrheit werden wir nicht finden.Es gibt große Widersprüche bei der Darstellung von geschichtlichen Fakten, Namen, Orten, Zeiten, graphischen Darstellungen und deren Bewertung. Es sind oftmals handwerkliche Fehler, Übersehen und Auslassen von Fakten, unterschiedliche Beurteilungen. Besonders irritierend ist die Verwendung von Ortsnamen die zu den angegebenen Zeiten nicht passen, z.B. Segeberg oder Oldesloe in Karten des 11. Jahrhunderts. Das dient oftmals allein der aktuellen Orientierung auf der Karte, ist aber irreführend.
Leezen und die Slawen im Limes Grenzgebiet an der Trave
Die Geschichte unseres Dorfes liegt über lange Perioden des Mittelalters im Dunkeln. Die örtliche Geschichte wurde erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts kontinuierlich aufgezeichnet und bewahrt. Wenn es lokale Aufzeichnungen aus früherer Zeit gab sind sie während des 30-jährigen Krieges verloren gegangen. Die wichtigen Geschehnisse im Dorf wurden in das Kirchenbuch eingetragen. Namen von einigen Pastoren vor dem 16. Jahrhundert sind bekannt. Erst Hinrich Hartung, Pastor von 1637 – 1686, begann die Geschehnisse in der Gemeinde fortlaufend aufzuschreiben. Die Namen aller Pastoren und Lehrer und die Zeit ihrer Tätigkeit sind aus den Kirchenbüchern seither bekannt. Es wurden dort nicht nur die standesamtlichen und schulischen Ereignisse erfasst, sondern auch viele kleine Begebenheiten die das Alltagsleben beschreiben. Sie befinden sich im Original und vollständig im Kirchen-Archiv in Bad Segeberg. In unserem Gemeindearchiv verwahren wir das Findbuch dazu. Andere Informationen über unser Dorf stammen aus anderen Urkunden und Berichten. Vieles befindet sich im Landesarchiv und in den Landesmuseen in Schleswig. Im Schrifttum findet man eine der bedeutendsten zeitnahen Quellen von Holsteins Geschichte, die Chronica Slavorum, von Helmold von Bosau, der bis etwa 1160 an der nordelbischen Chronik schrieb. Dieses und andere Dokumente berichten über die Geschichte im zeitgeschichtlichen Umfeld in Stormarn, Holstein und dem heutigen Ostholstein.

Nach dem Tod von Karl und mehreren Reichsteilungen entstand 870 das Ostfränkische-Reich. Es schloss auch Nordalbingien, das germanische Land nördlich der Elbe, ein. Nach weiteren Gebietsveränderungen entstanden 962 mit Otto I. das „Regnum Teutonicum“ und das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“. In den darauf folgenden 200 Jahren waren im Norden die Menschen durch blutige Schlachten gebeutelt. Es ging um die Macht des Kaisers, des Papstes, das Deutsche Reich, die weltlichen und religiösen Fürsten, die zum großen Teil zwangsweise Christianisierung, Kriege mit den Slawen und Konflikte mit Dänen und Wikingern. Lothar III. von Supplingenburg war Herzog von Sachsen, Deutscher König und Römischer Kaiser bis zu seinem Tod 1137. Das Deutsche Reich war in Herzogtümer als Verwaltungsbezirke des Kaisers aufgeteilt. Das Nördlichste war Sachsen und umfasste die Gaue Holstein, Stormarn, Dithmarschen, Niedersachsen und Westfalen. Das heutige Ostholstein lag außerhalb der Reichsgrenzen und gehörte damals zur Billunger Mark. Sie gehörte nicht zum Deutschen Reich, war aber entlang der Osteeküste ein „Interessensgebiet“ des Reiches, eine Art Lehen. Es war überwiegend von slawischen Stämmen bewohnt und in Nordelbien durch den von Karl festgelegten Limes Saxoniae von Germanien getrennt, der in der Karte als langer heller Streifen dargestellt ist. Im gesamten Raum zwischen Elbe, Eider, Nordsee und Ostsee, wohnten im 10. und 11. Jahrhundert etwa 400 000 Menschen: Sachsen, Holsaten, Stormarner, Dithmarscher und östlich des Limes zwei wendische Abodriten-Stämme. Die Wagrier siedelten östlich der Schwentine und Trave bis zum heutigen Oldesloe und die Polaben südlich von der Trave zur Elbe. Sie hatten sich über einige hundert Jahre von östlich der Oder über Vorpommern, Brandenburg und Mecklenburg verbreitet und auch an der Elbe und in Ostholstein angesiedelt. Von vielen Historikern werden die Slawen als angriffslustig und gewalttätig beschrieben. Sie hatten einen Ruf gewalttätige Piraten zu sein. Schon kurz nach der Völkerwanderung kamen Missionare in den Norden um die Menschen zum Christentum zu bekehren. Die meisten Versuche einzelner Wanderprediger waren nicht nachhaltig. Viele „Bekehrte“ machten nur zum Schein mit und beteten weiterhin ihre Götter an. Die „organisierte“ christliche Missionierung begann Ende des 11. Jahrhunderts mit Kirchenbauten und Klostergründungen.
Die Leezener Pfarrkirche
Eine treibende Kraft der Missionierung war der Augustinermönch Vicelin. Er kam um 1118 als Wanderprediger zuerst nach Bremen und dann nach Nordelbien. Die meisten neuen christlichen Kirchen wurden in Wagrien erbaut. Eine der Bekanntesten ist in Bosau. Das Kloster in Neumünster (novum monasterium) wurde 1127 im damaligen Wipenthorp von Vicelin gegründet. Er unterstand nicht dem Bischof in Hamburg sondern er war als „Vice-Vikar“ vom Papst entsandt. Er stieg in der nordelbischen Kirche schnell auf und gründete in Starigard (Oldenburg), also im Slawenland, erneut den zuvor verlassenen Bischofsitz. Er hatte einen Ruf als durchsetzungsstarker Organisator.1151 gründete er die St. Petri Kirche in Bosau. Als die Wagrier die zwangsweise Christianisierung mit Gewalt rückgängig machten, floh er nach Neu Münster. 1152 verstarb er dort in seinem Stift..
Ihm sind viele Kirchengründungen zu verdanken und er hat bestehende Kirchen unterstützt und erweitert. Das schließt die Leezener Kirche ein. Richard Haupt beschreibt 1884 in seinem Buch „Die Vizelinskirchen“ den Abriss der alten und den Neubau der Kirche von 1870 als „schlimmster Art“ und bedauert, dass die spätgotische Kanzel nicht erhalten geblieben ist. Er beschreibt das Innere der Kirche im Detail, was weitestgehend identisch ist mit den Beschreibungen des seinerzeitigen Pastor Decker. Man darf annehmen, dass er die alte Kirche selbst besucht hat. Er vergleicht die Kirche mit Bauten in Bosau und Schlagsdorf.
Die Kirche in Leezen war vermutlich die einzige Kirche im Gau Faldera, neben der Stiftskirche des novum monasterium, deren Bau 1126 begann. Unsere Kirche ist vor dem Wirken von Vicelin (Vizelin) , demnach im 11. Jahrhundert entstanden. Sie könnte in den unruhigen Zeiten des 11. Jahrhunderts, wie Pastor Decker feststellt, als Flucht- und Wehrkirche gedient haben. Er beschreibt den Abriss in vielen Einzelheiten. Decker vermutet unter anderem auf Grund von gefundenen sehr alten, zum Teil zerfallenen Eichenbalken, die 1488 abgestützt werden mussten, dass die Kirche in den Anfängen der Christianisierung gebaut wurde. Im 13. Jahrhundert wurde sie durch Umbauten vergrößert. Im Kirchenarchiv finden sich weitere Details.
2014 musste der Kirchturm saniert werden. Einige der alten Eichenbalken, vor allem jene die Grundberührung hatten begannen zu zerfallen. Diese Operation hat mehr als 100 000 Euro gekostet. Die Zeitungen haben damals ausführlich berichtet. Beim Blick auf diese Zeitungsartikel fiel mir auf, dass alle Verfasser das Baujahr der Kirche unterschiedlich im 16. und 17. Jahrhundert verorten. Wer hat da wen falsch informiert und warum ist damals nicht bemerkt worden?
Latzinghe, Latzinge, Lescinge, Letcingge, Leezink, Leezen
Seit Mitte des 11. Jahrhunderts gab es immer wieder Grenzgefechte entlang der Trave und Schwentine. Daraus folgten dauerhafte Landnahmen der Slawen und sie gründeten Siedlungen westlich der Trave, während es keine Hinweise gibt, die über neue sächsische Siedlungen östlich des Limes berichten. Es gibt keine verlässliche Information ob die Gründungen friedlich verliefen oder Resultat kriegerischer Besetzung und Unterdrückung waren.
Wie verlief die Geschichte in Leezen? Die päpstliche Bulle von 1199 und das kaiserliche Privileg von 1192 sind Dokumente, die das Dorf historisch dokumentieren. Dass Leezen schon vor dieser Zeit gegründet wurde ist durch die Geschichtsforschung belegt. Wann Leezen tatsächlich gegründet wurde ist durch offizielle Dokumente nicht zu bestimmen. Um das hohe Alter unseres Dorfes zu würdigen wurde ein 800 jähriges Jubiläum basierend auf der päpstlichen Bulle 1999 gefeiert. In diesem Dokument, das alle für das Kloster Segeberg abgabenpflichtige Dörfer erwähnt, ist auch Leezen genannt. Das Segeberger Kloster wurde von Kaiser Lothar und Papst Konrad bei der Gründung 1134 großzügig mit Lehen beschenkt. Im Hamburger Urkundenbuch liegen weitere Dokumente dazu vor. Diese Urkunden, im Prinzip diplomatische Briefe, wurden als Privilegien bezeichnet. Die Urkunde 152 (1192) von Heinrich VI. bestätigt die von Kaiser Lothar und Papst Konrad 1134 gemachten Geschenke an das Kloster Segeberg.

Leezen wurde demzufolge schon 1134 urkundlich erwähnt. Einige Einzelheiten sind jedoch überraschend. Es ist vor allem die Schreibweise der Dörfer, die von der von 1199 abweicht. Hier wird Leezen als Lautzen geschrieben. Der Historiker C. Schirren, bezeichnet 1876 in seinem Buch „Beiträge zur Kritik älterer holsteinischer Geschichtsquellen“ viele offizielle Dokumente als unzuverlässig und beschreibt typische Mängel dieser Zeit. Es war das Sprachengewirr und Kompetenzgerangel in den Kanzleien und es wurde auch gefälscht und gelogen. Es entstanden Fehler beim Kopieren von Urkunden. Beim Vergleich der Darstellung identischer Ereignisse in verschieden Urkunden sind eklatante Unterschiede zu erkennen. Das betrifft auch die im Original lateinisch verfassten Inhalte, z.B Ortsnamen, und auch Nachträge und Korrekturen. Latein war seit Karl d. Gr. Amtssprache in ganz Europa. Die Sprache wurde jedoch ausschließlich von Wissenschaftlern und Klerikern beherrscht. 90 % der Bevölkerung war des Lesens und Schreibens unkundig. Die Ortsnamen wurden sehr oft mündlich weitergegeben. Das führte zwangsweise zu Fehlern.
Wir können sicher sein, dass Leezen vor der Gründung Segebergs 1134 bereits als Gemeinde mit einer Kirche bestand. Es ist überraschend, dass sie zu der Zeit die einzige Kirche im Gau Farland war. Das beantwortet aber noch nicht die Frage nach dem Alter des Dorfes. An weiteren dokumentarischen Beweisen steht bisher nichts zur Verfügung. Ein viel genutztes Werkzeug der Sprachforschung hilft uns den Zeitraum der Gründung weiter zurück zu verfolgen. Etymologie erforscht Ursprung, Herkunft und Bedeutung von Wortbildungen. Auskunft finden wir auch in Deutschen Ortsnamen Büchern, bei Historikern und Sprachforschern.

Die Abbildung zeigt uns die drei Gaue von Nordelbien plus Faldera und das slawische Wagrien und Polabien aus der Zeit vor der Errichtung der „Siegesburg“ auf dem Alberg (heute Kalkberg), somit vor 1134. Bemerkenswert ist, dass der Limes und die sächsischen Gaugrenzen nicht identisch dargestellt sind und sich slawische Siedlungen bereits vor dem Bau der Siegesburg auf sächsischem Gebiet befinden. Der Limes war zwar als vertragliche Grenzlinie angelegt und von Adam von Bremen 1075 beschrieben, hatte aber auf jeder Seite ein manchmal mehr als 20 Kilometer breites, schwer zugängliches, Wald- und Moorgebiet links und rechts der Trave, das die Slawen und Holsten und Stormarner auf ihrem Gebiet zurückhalten sollte. Die Holsten nannten ihren Teil des Niemandslandes „ Gau Faldera“. Der Segeberger Forst und der Sachsenwald sind Reste dieses Grenzgebiets. Faldera war im Grunde genommen ein viertes kaum bewohntes Gau, das bis zur Trave reichte. Zur Grenzaufsicht dienten auf beiden Seiten Burgen. Mit dem Grenzschutz waren seit Otto d. Gr. die Billunger Herzöge betraut. Dazu stand eine wahrscheinlich berittene Truppe zur Verfügung, überliefert als “virtus holzatorum“ Die Leezener Burg war möglicherweise Teil des Bewachungsapparates. Demzufolge wären die sächsischen und wendischen Dörfer gemeinsam mit Latzinghe nicht vollkommen schutzlos gegen Überfälle gewesen.
Zu diesen westlich der Trave befindlichen slawischen Siedlungen gehören auch Schwissel und Högersdorf. Im Gegensatz zu den Slawen verstanden die Germanen den Limesstreifen als Niemandsland. Sie gründeten keine neuen Siedlungen östlich der Trave. Die genannten Dörfer trugen ursprünglich slawische und auch sächsische Namen, während für Leezen nur der alt-sächsische Name bekannt ist. Bemerkenswerterweise werden in der Stiftungsurkunde für das Segeberger Kloster vom 17. März 1137 sächsische Namen für slawischen Orte genannt: z.B. hageristhorpp, alt-sächsisch für slawisch cusalina und alt-sächsisch Zuwissel für slawisch szwitole.
Während die Franken in der Karolingischen Zeit im 9. Jahrhundert nur wenige und nicht ständig bewohnte Verteidigungsanlagen am Limes gebaut hatten errichteten die Slawen mehrere Burgen entlang des östlichen Ufers der Trave. Die Wenden begannen mit ihrer grenzüberschreitenden Landnahme westlich der Trave bereits um 1050. Das Siedlungsgebiet der Holsaten innerhalb ihrer Gaugrenzen beginnt, durch Burgen geschützt, einige zehn Kilometer weiter westlich, etwa entlang des Ochsenwegs. Die Dörfer Mözen (Mo(y)zinge), Bebensee (Benense) und auch Leezen (Latzinghe) liegen außerhalb des durch Burgen geschützten Siedlungsgebiets. Als alt-sächsische Gründungen existierten sie dort möglicherweise schon in der Zeit der Einwanderung der Sachsen, die im 5. Jahrhundert begann. Ob die Einwohner von Leezen und den anderen alt-sächsischen Dörfern mit den Slawen einvernehmlich zusammen lebten, sich duldeten oder gar vertrieben wurden, wie einige Historiker vermuten, lässt sich nicht genau ermitteln.

Die Eintragung im Deutschen Ortsnamenbuch gibt uns einen Hinweis. In den ersten urkundlichen Erwähnungen wurde unser Dorf Latzinghe genannt. Der Ortsname ist unzweifelhaft alt-sächsischen Ursprungs und setzt sich aus zwei Wortstämmen zusammen: -Latz und -inghe. Im Deutschen Ortsnamenbuch von 1868 und von Etymologen wird beschrieben, dass das Suffix -ing für Siedlung, Platz, aber auch Heimstatt steht. Das Präfix -latz deutet auf mehre Möglichkeiten hin. Er könnte Gewässer bedeuten aber auch der Name einer Sippe oder Familie sein. Die Endungen -ing und inghe wurden in der Namensgebung für Siedlungen in Sachsen zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert verwendet. Sie gehen zurück auf das alt-Germanische -inga (Haus). Damit stellen wir fest, dass unser Dorf und damit vielleicht auch die Burg im See eine frühe alt-sächsische Gründung ist. Unmittelbar am See gab es zu der Zeit noch keine (bekannten) slawischen Siedlungen. Die Region war zum Ende der Völkerwanderung nach Wegzug der Angelsachsen sehr dünn besiedelt. Schon zu Beginn des Frankenreichs hatte Leezen wahrscheinlich Kontakte zu slawischen Siedlern im Osten gehabt.
Chronisten gliedern Leezen in drei Ortsteile, was die Frage aufwirft, wann und wie und warum die Aufteilung entschieden wurde. Es erscheint mir ungewöhnlich, dass ein so kleiner Ort drei Ortsteile hat. Budörp wird in unseren Orts-Chroniken als der älteste Teil angesehen. Es gibt verschiedene Deutungen, die allesamt nicht überzeugend sind. Wenn Budörp der älteste Teil von Leezen wäre, müsste man die Bestimmung des Namens über die alt-sächsische Sprache vornehmen können. Ein alt-sächsischer Name für Budörp ist nicht dokumentiert. Es findet sich auch kein Eintrag im Deutschen Ortsnamenbuch. Ein sehr umfangreiches alt-sächsisch-neuhochdeutsche Wörterbuch liefert uns einige passende Begriffe und ihre Bedeutung;
Bu- Bau, Heim; Bur– Bauer; Thorp– Dorf; Buland– Bauland, Feld; Kamp- Kampf, Feld
Quelle: G.Kobler
Der Begriff –dorp existiert im alt-sächsischen nicht. Der Name Budörp muss nach der Gründung Leezens entstanden sein, als sich in der Sprachentwicklung Niederdeutsch etabliert hatte. Am Ende des 12. Jahrhunderts begann der Übergang von Alt-sächsisch zu Mittel-Niederdeutsch. Somit macht der Name „Budorp-Bauerndorf“ Sinn. Vorstellbar wäre auch eine Kombination mit dem Bezug „Heim oder Haus“. Es denkbar, dass der Name als Abgrenzung zum Kirchdorf Latzinghe diente. Latzinghe deutet auf eine ursprünglich kleine Wohneinheit hin, vielleicht eine Sippe oder ein Einzelgehöft. Eine größere Siedlung würde das Suffix – thorp getragen haben. Dass in den Urkunden Leezen mit dem alt-sächsischen Namen bezeichnet wird bedeutet schließlich, dass die Namensgebung weit zurückliegen muss. Die erste Abwandlung des Ortsnamens erfolgte 1219 in das niederdeutsche Lescinghe.

Dieser militärische, detailliert kartographierte Plan von 1880 bildet das Prinzip der Dorfanlage sehr deutlich ab und zeigt, die Siedlung um die Kirche im Zentrum, während der Budörp sich eher als Anhang darstellt. Zu Bedenken ist auch, dass die Anlagen um die Kirche um einige Meter erhöht stehen und damit leichter zu verteidigen und geschützt gegen Hochwasser waren und sich für eine Erstbesiedlung für eine Familie oder Sippe angeboten haben. Schließlich bilden sie auch das Zentrum des Ortes und liegen dichter am See. Das Gebiet um die Kirche liegt räumlich deutlich getrennt vom Budörp. Es daher nicht auszuschließen, dass „Budorp“ zur Abgrenzung und zur Namensgebung für eine bäuerliche, nachbarschaftliche Neu-Gründung im Zuge der nach-wendischen Kolonisation in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts diente. Dafür spricht auch, dass es zwei Dorfanger gibt. Es mag etwas weit hergeholt klingen, aber “Buten-Dorf" wäre auch vorstellbar, zumal der Ortsteil sichtlich am Rande, außen, liegt.
Kamp schließt sich laut Erdbuch von 1776 unmittelbar nach Südosten an. Der Name ist dem Lateinischen entlehnt (Campus) und bedeutet unter anderem Acker, oder Wiese. Der Begriff wurde im 11. Jahrhundert als Modewort verwendet, stammt daher aus einer frühen Phase des Dorfes. Der Kamp wurde wechselweise als Acker, aber auch als Weide verwendet. Typisch für einen Kamp war, dass er zehnt- und stoppelfrei war und auch nicht dem Flurzwang unterlag. Im „Segeberger Erdtbuch von 1776“ findet sich in Leezen in der langen Liste der Flurstücke kein Hinweis mit diesem Namen. Es gibt eine Eintragung in einer separaten Abteilung. Dort wird Kamp aufgeführt mit einem Hinweis auf das Kirchenbuch, wird als volkstümlich beschrieben und liegt südlich und östlich der Kirche. Das lässt den Schluss zu, dass es sich um eine Gebietsbezeichnung handelt für das Stück Land am Seeufer zwischen der Landstraße (B432), der Leezener Au und Neversdorfer Straße und kein bestimmtes Eigentum bezeichnet. Vielleicht war es eine Allmende. Schmiedekamp ist wohl Teil des ursprünglichen mittelalterlichen Kamp.
Wem war Latzinghe damals abgabenpflichtig? Burg oder Kloster? Das Segeberger Erdbuch von 1665 gibt Auskunft. Dort heißt es:
„Ein richtiges Erdtbuch aller des Ambts Segeberg Jährliche Einkünfte….
Kirchspiell Leetzen: Das Dorf Leetzen, darin liegt eine Kirche……Sonst wohnen darin 7 Hufner….., so theils Königlich, theils Clösterlich gewesen, als…..“
Ein anderer Eintrag lautet:
„Die ümb der Stadt Segeberg liegende Königl. Ländereien, so zur Burch gehörig gewest, als: Die Leezinger Wische ………“
„Die vor diesem zum Closter Segeberg gelegenen Ländereien sind follgende als:
An Seehen sind vorhanden:
- Der große Sehe bey Segeberg….
- Der Leezinger Sehe ist verhauret mit der Aalkiste vor 40 RT.
- ………“
Leezen musste zur Zeit der Gründung von Segeberg sowohl an die Burg, (den Herzog von Sachsen), als auch an das Kloster Abgaben entrichten.
Der Burgwall auf der Insel
Über die Burganlage auf der Insel im See sind nur wenige Fakten bekannt. Wann und warum wurde die Wallanlage auf der Insel errichtet und warum gibt es über die Leezener Burg so wenig Information über Ursprung und Funktion und stattdessen überlieferte Geschichten und Folklore aus späterer Zeit? Es gab in der karolingischen Zeit auf holsteinischer Seite in unserer Nähe am Limes nur eine große Burg, die Nütschauer Schanze. Als die Siegesburg auf dem Alberg errichtet und drei Jahre später von den Slawen wieder zerstört wurde, gab es gemäß dieser und anderer Karten bereits die Burg in Leezen, hier als slawisch bezeichnet. Was heißt das für das Verhältnis zwischen Alt-Sachsen in Leezen und den Slawen in ihrer Nachbarschaft?

Zunächst wurde das von Karl dem Großen eingeführte Grenzregime von beiden Seiten respektiert. Das führte zum Bau verschiedener Burganlagen auf beiden Seiten zwischen Elbe und Schlei. Es waren durchweg Wallanlagen mit 80 -100 Meter Durchmesser. Die Grenzanlagen an der Elbe und Bille waren ständig umkämpft, da hier die nach Norden und Westen drängenden Slawen mit den Germanen zusammenstießen. Die Stormarner Hammaburg wurde mehrfach zerstört und wieder errichtet. Die wichtigste Verteidigungsburg der Sachsen der karolingischen Zeit an der Mitteltrave, war seit 840 die Nütschauer Schanze. Sie war nicht ständig besetzt. Sie konnte daher leichte Beute der Slawen werden und wurde bereits im letzten Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts von Slawen zerstört und nicht wieder aufgebaut. Stattdessen vergrößerten die Wagrier jenseits der Trave die Alt-Fresenburg (nahe Oldesloe) und trieben den Siedlungsbau westlich der Trave voran. Das geschah bereits einige Jahrzehnte bevor Segeberg (Segeberch) gegründet wurde. Weitere slawische Burgen in unserer Nähe standen in Stipsdorf, Strenglin, Warder und älteste und kleinste nahe Segeberg/Gladebrügge. Die ersten großen Landeroberungen der Slawen fanden in einer sehr gewaltsamen, expansiven Phase statt. 1066 begann mit der vollständigen Zerstörung von Haithabu/Sliasvic durch Herzog Kruto eine blutige Eroberungsphase. Er brachte das sehr dünn besiedelte Gau Farland komplett unter seine Kontrolle. Was hieß das für die slawischen Dörfer Högersdorf, Schwissel in unmittelbarer Nachbarschaft zu den sächsischen Dörfern. Waren sie bereits christianisiert und integriert? Der Holsten-Stamm hatte sich hinter die Gaugrenzen am Ochsenweg zurückgezogen und das Gau Farland als Niemandsland hinterlassen. Ihre Burgen liegen alle innerhalb, westlich der Gaugrenzen. Die alt-sächsischen Gründungen (Leezen, Mözen, Bebensee) überließen sie offensichtlich sich selbst. Über das Schicksal dieser drei Dörfer im Zusammenleben mit den slawischen Eindringlingen wissen wir nichts Überliefertes. Georg Waitz gibt uns 1851 in seinem Buch über unsere Geschichte eine Einschätzung der Situation im Jahr 1066:

Diese Beschreibung macht es denkbar, dass die drei altsächsischen Dörfer möglicherweise einige Jahre slawischer Herrschaft oder Schlimmeres zu erleiden hatten. Entsprechend dem oben erwähnten Zitat war aber Stormarn besonders stark betroffen.
Die Graphik von H. Fiege bezeichnet Leezen als slawische Burg. Wahrscheinlicher ist, dass sie bereits bei der ursprünglichen Landnahme durch eingewanderte Sachsen gegründet wurde. Eine andere Graphik (Kersten und Hucke) scheint das zu bestätigen, wie auch spätere Grabungen. Sie wurde auf der damals mitten im See liegenden Insel errichtet. Sie hatte eine fast uneinnehmbare Position und bot als starker Vorposten sicheren Schutz. 1966 wurde durch Ausgrabungen des Landesamtes für Vor- und Frühgeschichte die Anlage in Form eines Ringwalls identifiziert. Keramikfunde wurden in das 11./12. Jahrhundert datiert. Es fand sich aber kein nachweisbarer Ursprung. Die archäologische Untersuchung benennt die Scherbenfunde zwar als slawisch, jedoch „mitgebracht“. Man fand auch eine frühgeschichtliche Messerschneide, ein bronzenes Teil von einem Henkel und Reste eines Holzeimers. Eine dendrologisch chronologische Analyse könnte Klarheit verschaffen, wann der Ringwall errichtet wurde. Die Funde deuten auf das frühe Mittelalter. Sie war möglicherweise ursprünglich als Fluchtburg für die umliegenden Dörfer gedacht oder gehörte den “virtue holzaten". Es ist denkbar, dass die Bewohner der slawischen Dörfer sich schon frühzeitig zum Christentum bekannten, zumindest aber friedlich mit den Holsten zusammen lebten. Das Kloster Segeberg wurde in Mitten einer kriegerischen Situation in das slawische Dorf Cusalina umgesiedelt und offensichtlich einvernehmlich. Hätte eine friedliche Koexistenz zwischen Holsaten und Wagriern schon länger bestanden, gab es kein direktes Schutzbedürfnis und die Burg hatte dann keinen direkten Nutzen mehr gehabt. Jedenfalls gab es um 1100 keine ständig bewohnte sächsische Burg mehr direkt am Limes.
Unsere Nachbardörfer
Erste sächsische und slawische urkundliche Erwähnungen:
Bebensee: 1216 benense
Fredesdorf: 1192 ricfredestorppe, 1216 richfrethestorpe, vermutlich dann eine Neugründung anstelle des ursprünglichen Dorfes. 1249 Volkerikestorp, volkerik, fulkerich
Högersdorf: 1137 hageristorpp, cusalina (slaw.)1199 hogherestorp, Hotgersdorf
Krems: 1249 kremptze (slaw. Hügel im Moor), crembze
Kükels: 1305 ky-elze (slaw.)
Mözen: 1137 moyzen, moitzing, moitling, 1139 mozinke, , 1150 moycene, 1192 moytzen, 1199 moytzinge, motsinke, 1226 moytzinge
Neversdorf: Keine urkundliche Erwähnung, auch nicht im Ortsnamenbuch
Niendorf: 1216 Nigendorpe
Schwissel: 1150, szwitole (slaw.), zuwissel, 1199 suizele, 1216 switzele; gilt als eine der ergiebigsten und wertvollsten vorgeschichtlichen Fundstätten in Holstein.
Quelle: P. Dohm
Im unmittelbaren Einzugsbereich der Leezener Burg befanden sich Leezen, Mözen vielleicht auch Bebensee und in einiger Entfernung Högersdorf und Schwissel. Ein Wendepunkt kam 1134 mit dem Bau der Siegesburg und der darauf folgenden endgültigen Niederschlagung der Slawen in Ostholstein. Die Besiedlung links und rechts der Trave beschleunigte sich. Die Leezener Burg hatte spätestens dann ihre Bedeutung als Schutzburg endgültig verloren. Der Limes wurde eine weitgehend befriedete Gau-, Sprach-und Religionsgrenze zwischen Holstein/ Stormarn und Ostholstein/Lauenburg. Vicelin begann von Segeberg aus die Missionstätigkeit in Ostholstein. Die einzigen Alt-Gründungen in unserer Nachbarschaft sind wohl Fredesdorf, Högersdorf, Mözen, Leezen, Schwissel, vielleicht auch Bebensee. Etwas weiter weg Wittenborn und Fahrenkrug. Alle anderen Ortschaften sind nach der Kolonisierung Ostholsteins entstanden.
Das Ende der Wenden in Holstein
Norddeutschland war seit der Völkerwanderung chronisch unterbevölkert. Vom 8. bis 11. Jahrhundert nahm die Besiedlung durch die Gründung neuer Dörfer und Städte zu. 1138 wird die 1134 errichtete Siegesburg in Segeberg von slawischen Truppen aus Alt-Lübeck (Liubice) erobert und teilweise zerstört. Die Rache der Holsaten und Stormarner kam dann schnell und gründlich. Es war sicherlich auch eine Reaktion auf die seit Jahrzehnten gewaltsamen und kontinuierlichen Eroberungen und Landnahmen der Slawen westlich des Limes und der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Im Winter 1138/1139 besiegten die Holsaten die Slawen vernichtend. Die Historiker sind sich einig, dass es ein ziemlich brutaler und gründlicher Schlag war. Die meisten Dörfer und Städte der Wagrier und Polaben wurden zerstört. Ihre Felder wurden verwüstet. Die Bewohner wurden aus ihrem Siedlungsgebiet vertrieben, entrechtet und bis an die Ostsee gedrängt. 600 Familien wanderten aus in den Harz. Man wies den Verbliebenen einen schmalen Streifen um Starigard (Oldenburg) an der Küste und die Insel Fehmarn zu. Besonders hart war, dass den verbliebenen Wagrier in Ostholstein zu Beginn Landeigentum verboten wurde. Allerdings wurde ihnen zuweilen genehmigt sich neben ihrem ehemaligen Besitztum, das nun von „Immigranten“ aus Germanien bewohnt war, niederzulassen. Sie waren aber von diesen Dörfern abhängig. Ihnen wurde das sächsische Recht verwehrt und sie waren nach slawischem Recht vogelfrei. Sie konnten jederzeit vertrieben werden. Ein nicht eingeplantes, folgenschweres Ergebnis der Slawenvertreibung war, dass nun ein zum Herzogtum Sachsen gehörendes Ostholstein mit vielen leeren Gehöften und unbestellten Äckern daniederlag und Versorgungsprobleme schuf. Graf Adolf der II., Herzog von Sachsen, ergriff die Initiative und bot ab 1143 umzugswilligen Bauern aus seinem sächsischen Herrschaftsgebiet und Friesland und Holland Land als Geschenk an. Die Hoffnung des Landesfürsten, dass holsteinische und Stormarner Bauern die Lücken schließen würden erfüllte sich nicht wie gewünscht. Viele Holsten und Stormarner trauten der „Einladung“ nicht und blieben lieber westlich der Trave. Die Siegesburg wurde 1147 unter erzwungener Mithilfe der Wagrier wieder aufgebaut und Lübeck wurde gegründet. Graf Adolf schickte „Lokatoren“ nach Westfalen, Niedersachsen, Friesland und Holland um Bauern anzuwerben. Helmold von Bosau schreibt in seiner Slawenchonik (Chronica Slavorum):
„Daraufhin brach eine zahllose Menge aus verschiedenen Stämmen auf, nahm Familien und Habe mit und kam zu Graf Adolf nach Wagrien, um das versprochene Land in Besitz zu nehmen. Und zwar erhielten zuerst die Holsten Wohnsitze in dem am besten geschützten Gebiet westlich Segeberg, an der Trave, in der Ebene Schwentinefeld und alles, was sich von der Schwale bis zum Grimmelsberg und zum Plöner See erstreckt. Das Darguner Land ( Ahrensbök) besiedelten die Westfalen, das Eutiner die Holländer und Süsel die Friesen. Das Plöner Land aber blieb noch unbewohnt. Oldenburg und Lütjenburg sowie die anderen Küstengegenden ließ er von den Slawen besiedeln, und sie wurden ihm zinspflichtig.“

Schlussfolgerungen
Als die Leezener Chroniken verfasst und veröffentlicht wurden waren viele Quellen nicht zugänglich. In On-line-Archiven fand ich viele Original-Buchausgaben namhafter Historiker, z.B. in der Library of Congress und in Bibliotheken bekannter Universitäten weltweit. Diese zusätzlichen Informationen ermöglichen nun andere Blickweisen auf die Entstehung und, Entwicklung unserer Region und unser Dorf. Die Geschichte Leezens ist kein zufälliges Einzelereignis, sondern muss als Teil der historischen Entwicklung in Holstein und Ostholstein seit dem frühen Mittelalter gesehen werden. Leezen gilt als eines der ältesten Dörfer nördlich der Elbe in den heutigen Landkreisen Stormarn, Segeberg, Pinneberg und Lauenburg. Eine frühe Besiedelung des Raumes an der Leezener Au und am See in vorgeschichtlicher Zeit ist durch Grabungsfunde belegt. Die Siedlungsstätten befanden sich auf den höher gelegenen sandigen Plätzen. Ob die Region ständig besiedelt war ist unklar.
Verfolgen wir die Geschichte einmal in Rückwärtsschritten beginnend mit der brutalen Eroberung Ostholsteins (1139) und der Niederlage der Slawen, wodurch ein großes Herzogtum Sachsen entstanden war. Die neuen Siedler aus Westfalen, Friesland und Holland lebten und siedelten mit den Slawen, soweit die nicht abgewandert waren und mit Holsaten und Stormarnern. In diesen zeitlichen Abschnitt passt das Erscheinen Vicelins, der ab 1120 in Holstein und ab 1134 in Wagrien missionierte und in alle neuen Kirchenbauten involviert war. Unsere alte nicht mehr bestehende Kirche wurde zu Vicelins Zeit umgebaut und vergrößert. Dass in Leezen eine Kirche vor 1130 bestand ist sicher, da das „Kirchspiell Latzinghe“ mit Kirche und Dorf von Kaiser und Papst als Lehen an das Kloster Segeberg, den neuen Bischhofssitz, gegeben wurde. Die Gründung von Kloster und Ort Segeberg 1134 und der Bau der Siegesburg durch Kaiser Lothar waren entscheidende Ereignisse auch für Leezen. 1106 gilt als die Gründung der Grafschaft Holstein durch Lothar von Supplingenburg (auch Supplinburg), dem späteren Kaiser Lothar III (1133-1137). Pastor Decker beschreibt 1870 den Abriss der alten Leezener Kirche in seinem Buch „Neubau der Leezener Kirche“. Er berichtet über eine Fensterscheibe mit einer Inschrift, die auf Papst Gregeor VII hinweist. Er fand Überlieferungen, dass es zuvor eine kleinere, wehrhafte Kapelle zum Schutz vor marodierenden Wagriern gegeben hat. Der Kirchturm wurde erst später separat errichtet. Der Hinweis auf ein kleines Kirchlein taucht auch in einer anderen Quelle auf. Das würde den Zeitraum von Gregors Amtszeit 1075-1083 bestimmen. Die Wenden führten ab 1066 massiv Überfälle auf Holstein und Stormarn durch. Ab 1071 herrschten sie unter der Führung ihres Stammesfürsten Kruto über ganz Holstein und Stormarn bis z seinem Tod von 1093. Die Darstellung der sächsischen Sprachgrenze in der Graphik weist darauf hin, dass alt-sächsische Orte (vermutlich Leezen, Mözen, Bebensee) dicht am Limes und zugleich dicht an der slawischen Sprachgrenze liegen, umgeben von slawischen Dörfern. Die Karte suggeriert zwar, dass in Leezen deutsch gesprochen wurde, zumal auch kein slawischer Name von Leezen und Mözen bekannt ist, sagt aber nichts aus, wie die herrschaftlichen Verhältnisse waren und wie man mit den Slawen zusammenlebte und seit wann, oder ob die Leezener gar vertrieben waren. Die Abbildung zeigt Leezen mit einer slawischen Burg und weist auf die Nütschauer Schanze hin, die bekanntlich ab 1090 nicht mehr existierte. Das kann bedeuten, dass Leezen seit 1066 unter slawischer Herrschaft war, bis sie 1093 beendet wurde. Es gibt aber auch Hinweise auf eine friedvolle Koexsistenz, beschrieben 1854 von J.F.A. Mahn.
„Der dritte Stamm der Slawen, die Wenden, besetzte alle Länder an den Ufern der Ostsee entlang, dehnte sich bis in das jetzige Holstein aus und wurde hier Nachbar der Nordalbingischen Saxen. Nicht aber eroberungssüchtig und kriegslustig, wie die andern Slawischen und fremden Völker, treten die Wenden auf, sondern in kleinen Abtheilungen schlichen sie sich gleichsam allmählich in die neuen Wohnsitze ein, ja sie erbaten sich, wo sie noch Germanische Einwohner vorfanden, friedliche Aufnahme.“
Quelle: J.F.A Mahn
Slawische Siedlungen in Leezens Nachbarschaft (z.B. Schwissel, Högersdorf) haben ebenfalls schon vor der Gründung Segebergs bestanden. Andere, z.B. Krems und Kükels erst danach. Für die Annahme eines friedlichen Zusammenlebens spricht, dass das slawische Gebiet gegenüber der Trave schwer zugänglich, kaum besiedelt und wenig einladend war, so dass slawische Siedler sich für die Dörfer jenseits der Trave interessiert haben könnten. Die hauptsächlichen Siedlungsräume der Slawen waren die Seen um Plön, Starigard, Alt-Lübeck und an der Elbe durch die Polaben. Segeberg, Traventhal, Gladebrügge, Oldesloe u.a. gab es noch nicht, sondern nur die kleine damals nicht mehr bewohnte Grabenburg (Ohlenborg) gegenüber Högersdorf am Travebogen nahe zu Segeberg. Eine dendrochronologische Datierung gefundener Palisaden gibt die Zeit 894 bis 897 für die Funde an. Da herrschten noch keine großen Grenzkriege. Der Zuzug in den Norden wurde schon in der karolingischen Zeit von der kaiserlichen Residenz in Bardowik kontrolliert. Dort mussten alle Zuwanderer durch. Die Zuwanderung kann man sich durchaus wie die Besiedelung des amerikanischen Westens vorstellen, wie der amerikanische Historiker Thompson um 1880 anmerkt. Die Menschen kamen in Trekks, nahmen Land wo es ihnen gefiel, errichteten Siedlungen und benannten sie nach dem Trekkführer oder dem Familienoberhaupt. Die altsächsischen Dörfer konnten zugewanderten slawischen Interessenten eine gute Infrastruktur bieten; Handelswege, Seen und Auen. Das rückt auch die mögliche Gründung Leezens mit seiner Burg in Richtung Jahrtausendwende. Die stärksten Argumente, die für ein dauerhaftes, nachbarschaftliches Nebeneinander von Holsten und Wagriern sprechen, sind die Tatsachen, dass die weit und breit einzige christliche Pfarrkirche in Leezen und das 1137 in Högersdorf errichtete Kloster die gewaltsamen Wirren des 11. und 12. Jahrhunderts überstanden haben. Die Wagrier waren glaubensseitig geteilt. Der eher heidnische Teil lebte im Nordosten um Staarigard, während die christianisierte Bevölkerung um Alt-Liubice wohnte. Es ist sehr wahrscheinlich, dss sie Wagrier entlang der Trave Christen waren. Die slawischen Dörfer trugen in offiziellen lateinisch geschriebenen Urkunden 1134 deutsche Namen. Sie waren in Holstein und Stormarn gelegen und gehörten damit zum Deutschen Reich. Erst ab dem 13. Jahrhundert wurden fürstliche Dokumente nicht mehr lateinisch sondern mittel-niederdeutsch verfasst. Die slawische Sprache verschwand in Ostholstein allmählich durch Assimilation deren Einwohner.
935 entsteht die Billunger Mark. Wagrier begannen nun vermehrt nach Ostholstein einzuwandern. Die Burg Starigard wurde ab 790 errichtet und danach wurde die Gegend um Plön besiedelt. Der von Karl geschaffene Sachsenwall versprach ab 809 für eine gewisse Zeit Frieden in den drei nordelbischen Gauen, Wagrien und Dänemark. Es wurden im gesamten Nordelbien und Wagrien Burgen gebaut. Das beschleunigte die Immigration und die Gründung von Ortschaften, die zumeist in der Nähe von Burgen erfolgte. Karl der Große führte seit 770 einen kombinierten Konfessions- Eroberungskrieg gegen die Sachsen in Nordelbien, der mit der Kapitulation und Taufe des Sachsenherzogs Widukind endete. Die Franken übernahmen die Macht in Nordelbien.
Viele der früh gegründeten Siedlungen wurden wieder aufgegeben oder unter anderem Namen weiter geführt. Einige noch heute existierende Ortsnamen sind Bornhöved, Ulzburg, Wittorf, Einfeld, Hitzhusen. Dass die Gaugrenzen weiter zurückgezogen liegen und die sächsischen Burgen am Limes zerstört waren spricht für gewaltsame Veränderungen seit der Jahrtausendwende. Die Dimension und Beschaffenheit der neutralen Zone zwischen den Volksgruppen versprach zu Beginn Sicherheit für die Siedler in den drei nordelbischen Gauen. Offenbar verspürten die Gründer bei ihrer Ansiedelung an der Trave keine Bedrohung. Sie wären in dem dünn besiedelten Land sicherlich nicht so dicht an eine feindliche Grenze gezogen. Die Seen und Auenlandschaft war attraktiv für eine Besiedelung. Den offiziellen Limes und den neutralen Landstreifen zwischen Trave und der Gaugrenze bei Wittorf (Neumünster) hat es zur Zeit der Besiedlung Leezens vielleicht noch garnicht gegeben. Die „Leezener“ siedelten vielleicht bewusst an der schon existierenden Fern-Handelsroute, einem Zweig des Ochsenwegs zwischen Skandinavien-Neumünster-Hamburg, sowie dem Elbe/Nordsee-Itzehoe-Trave-Ostsee Handelsweg. Auch das spräche für eine frühe Besiedelung. Die Alt-Sachsen begannen Holstein und Stormarn ab dem 5. Jahrhundert zu besiedeln. Die Siedlungen waren zu Beginn keine großen Dörfer. Es waren teilweise Einzelgehöfte von Familien und Sippen, oft in Burgnähe. Sie konnten in der Gründungsphase bedenkenlos in der dünn besiedelten Region attraktive und fruchtbare Plätze an Gewässern wählen (Leezener See, Mözener See, Trave, Auen).
Es bestehen Ähnlichkeiten zur Entstehung von Itzehoe, das als Echeho um 1000 an der gleichnamigen Burg gegründet wurde. Bornhöved ist berühmt geworden durch mehrere kriegerische Schlachten und bestand schon zur Zeit von Karl d. Großen. Durch die Vielzahl unterschiedlicher Quellen belegt sind die zeitlichen Angaben sinnvoll und plausibel. Es ist gerechtfertigt zu wiederholen, was unsere Chronisten schon festgestellt haben, dass Leezen zu den ältesten Siedlungen in Nordelbien gehört. Man kann angesichts des zeitlichen Szenarios und der regionalen Geschichtsereignisse auch die Frage stellen; Was spricht dagegen, dass Leezen vor dem Jahr 1000 gegründet wurde?
Quellenverzeichnis:
www.wipedia.org/wagrien
www.wikipedia.org/holstein
www.wikipedia.org/Liste frühmittelalterlicher Burganlagen in Hamburg und Schleswig-Holstein
www.etymonline.com
www.wikipedia.org/Kamp
www.geschichte-s-h.de Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte
www.archive.org
www.deutsche-digitale-bibliothek.de
www.gemeindearchiv-leezen-sh.de
Gerhard Köhler, 2014, „Altsächsisches Wörterbuch“
Agathe Lasch, 1914, Mittel-Niederdeutsche Grammatik, Seite 4 ff
Hamburger Urkundenbuch Nr. 152, 156
Lübecker Urkundenbuch
Manfred Niemeyer, „Deutsches Ortsnamenbuch“, 2011
Ernst Förstemann, „Die Deutschen Ortsnamen“, 1863
J.F.A. Mahn, 1854 „Einwanderung der Wenden“
Hartwig Fiege 1979, „Wie Ostholstein und Lauenburg deutsch wurden“, Seiten 13, 37
Otto Brandt 1949, „Geschichte Schleswig Holsteins“ Seite 35-42, 52 ff
Hans-Werner Rickert, 2002, „Groß-Niendorf Geschichte, Geschichten und Ansichten eines Dorfes“ Seite 23 ff
Richard Haupt, 1884, „Die Vizelinskirchen“ Seite 16 ff
- Schirren, 1876, „Beiträge zur Kritik älterer holsteinischer Geschichtsquellen“ Seite 213 ff
Horst Brügmann 1968 , „Siedlungsgeografische Entwicklung von Leezen“ Seite 14 ff
Wilhelm Holtz, 1967 , „Ortschronik Leezen- Flurnamen“
Pastor August Decker 1871, „Neubau der Leezener Kirche“ Seite 2 ff
Georg Waitz, 1851 „Schleswig-Holsteins Geschichte“, Seite 50 ff
Christian August Volquardsen, 1907, „Aus schleswig-holsteinischer Geschichte“ Seite 4 ff
Segeberger Zeitung 1980, Klaus J. Groth „Doppelte Dörfer der Deutschen und Slawen“
Paul Dohm, 1908 ,“Holsteinische Ortsnamen, die ältesten urkundlichen…….“ Seiten 16, 35, 36, 38,45,65,183: Anhang: 136
Christian Degen 1995, „Schleswig Holstein-Eine Landesgeschichte“, Seite 29 ff
Michael Müller-Witte,1991 „Starigard/Oldenburg“ Seite 60 f